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Wolfgang Motz

Wolfgang Motz (* 1952 in Mannheim) studierte in Freiburg Komposition bei Klaus Huber, sowie Klavier, Musiktheorie und Gehörbildung und danach mit einem Stipendium des DAAD in Venedig bei Luigi Nono und Alvise Vidolin (Computermusik). Er war Mitbegründer des ensemble recherche, dirigierte in den 1980er-Jahren verschiedene Ensembles Neuer Musik und arbeitete in den elektronischen Studios von Padua, Budapest, Paris, Berlin und dem Experimentalstudio des SWR in Freiburg. Einladungen führten ihn 1993 nach Ecuador, 1997 nach Taiwan, 2011 nach Südkorea und 2018 nach Costa Rica. An der Freiburger Musikhochschule war er von 1989 bis 2016 Professor für Gehörbildung.
Wichtige Stationen seines kompositorischen Werdegangs waren die Aufführungen von „sotto pressione“ für zwei Oboen und Computerklänge 1982 bei der Biennale von Venedig, des Orchesterwerks „non svanisce“ bei den Donaueschinger Musiktagen 1989 und des Oratoriums „Krypsantes“ für Chor, großes Orchester und Computerklänge beim Festival Eclat 2002. Einen Tag nach der Uraufführung von „Krypsantes“ starb seine langjährige Partnerin, die italienische Dichterin Asteria Fiore. Er ordnete ihren Nachlass und nach einer Periode des kompositorischen Schweigens begab er sich auf die Suche nach einer neuen „Neuen Musik“.
Strenge konstruktive Verfahrensweisen im Tonhöhen- und Dauernbereich wurden beibehalten, aber viele Tabus der (alten) Neuen Musik über den Haufen geworfen: tonale Akkorde, prägnante Rhythmen und sangliche Melodien erhielten neben geräuschhaften Spieltechniken ihren Platz.

Oda a la esperanza

1979/80 schrieb ich meine Komposition „Los Dictadores“ für Sopran, sieben Instrumente und Tonband auf das gleichnamige Gedicht aus Pablo Nerudas „Canto General“ (1950). In jener Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit Nerudas Lyrik und den Befreiungsbewegungen in Lateinamerika.

In den 1980er Jahren fand ich in Nerudas „Odas elementales“ (1954) das Gedicht „Oda a la esperanza“ und beschloss, es für Chor und Schlagzeug zu vertonen. Das Projekt begleitete mich durch die folgenden Jahrzehnte und 2014 entstand auf der Kanareninsel La Palma die Einleitung für zwei Schlagzeuger, die jeweils drei Becken und drei Tom Toms spielen. Die weitere Vertonung des spanischen Originaltextes für 16 Solostimmen beendete ich 2017.

Die Einladung des SWR-Vokalensembles, das Werk beim Eclat-Festival 2021 uraufzuführen, führte zu einer grundlegenden Überarbeitung der Komposition im Oktober 2020 mit dem Ziel, manche Übergänge geschmeidiger, Entwicklungen schlüssiger und die Harmonik noch ausdrucksvoller zu gestalten.

In meinen Kompositionen hat mich immer wieder das Verhältnis von Konstruktion und Ausdruck beschäftigt und so gibt es auch in der „Oda a la esperanza“ im Hintergrund eine strenge Tonhöhen- und Dauernstruktur, gleichzeitig aber das Bestreben, durch gezielte Disposition der Intervallik, der Klang- und Bewegungsdichte und der Tonräume verschiedene Ausdrucksqualitäten zu schaffen, ähnlich den Madrigalen des Cinquecento, um die Schönheit von Nerudas Gedicht zur Geltung zu bringen. Auf neue Vokaltechniken habe ich in diesem Zusammenhang bewusst verzichtet. (Wolfgang Motz)

Pablo Neruda: Ode an die Hoffnung

Meerhafte Dämmerung
inmitten meines Lebens,
traubengleiche Wogen,
Himmels Einsamkeit,
mich erfüllend
strömst du über,
das ganze Meer,
der ganze Himmel,
Bewegung
und Weltenraum,
die weißen Bataillone
des Schaums,
die orangenfarbige Erde,
der flammende
Gürtel
der sterbenden Sonne,
so viel
der Gaben und Gaben,
Vögel,
die ihren Träumen zufliegen,
und das Meer, das Meer,
verhaltener
Duft,
tönenden Salzes Chor,
indessen
wir,
die Menschen,
nahe dem Wasser
kämpfen
und hoffen,
am Meeresgestade
hoffen.

Zum Festland sagen die Wogen:
„Alles wird erfüllt werden“.

(aus: Pablo Neruda, Elementare Oden, Übersetzung von Erich Arendt, 1955, mit freundlicher Genehmigung von Carmen Ballcels, Barcelona)

Wolfgang Motz

Wolfgang Motz (*1952 in Mannheim) studied composition in Freiburg with Klaus Huber, as well as piano, music theory and aural training, and afterwards with a DAAD scholarship in Venice with Luigi Nono and Alvise Vidolin (computer music). He was a co-founder of ensemble recherche, conducted various new music ensembles in the 1980s, and worked in the electronic studios of Padua, Budapest, Paris, Berlin, and the experimental studio of SWR in Freiburg. Invitations took him to Ecuador in 1993, Taiwan in 1997, South Korea in 2011, and Costa Rica in 2018. Furthermore, he was professor of aural training at the Freiburg Musikhochschule from 1989 to 2016.
Important stages in his compositional career were the performances of “sotto pressione” for two oboes and computer sounds at the Venice Biennale in 1982, the orchestral work “non svanisce” at the Donaueschinger Musiktage in 1989, and the oratorio “Krypsantes” for choir, large orchestra, and computer sounds at the Festival Eclat in 2002. One day after the premiere of “Krypsantes”, his longtime partner, the Italian poet Asteria Fiore, died. He arranged her estate, and after a period of compositional silence, he set out in search of a new "new music."
Strict constructive procedures in pitch and duration were retained, but many taboos of (old) New Music were thrown overboard: tonal chords, concise rhythms, and cantabile melodies were given their place alongside noisy playing techniques.

Oda a la esperanza

In 1979/80 I wrote my composition “Los Dictadores” for soprano, seven instruments and tape on the poem of the same name from Pablo Neruda's “Canto General” (1950). At that time, I was deeply involved with Neruda's poetry and the liberation movements in Latin America.

In the 1980s, I found the poem “Oda a la esperanza” in Neruda's “Odas elementales” (1954) and decided to set it to music for choir and percussion. The project accompanied me through the following decades, and in 2014, on the Canary Island of La Palma, I wrote the introduction for two percussionists, each playing three cymbals and three tom-toms. I finished the further setting of the original Spanish text for 16 solo voices in 2017.

The invitation of the SWR Vocal Ensemble to premiere the work at the Eclat Festival in 2021 led to a fundamental revision of the composition in October 2020 with the aim of making some transitions smoother, developments more coherent, and the harmonies even more expressive.

In my compositions, I have always been concerned with the relationship between construction and expression, and so in the “Oda a la esperanza”, too, there is a strict pitch and duration structure in the background, but at the same time an effort to create different expressive qualities through specific disposition of the intervals, the density of sound and movement, and the tonal spaces, similar to the madrigals of the Cinquecento, in order to bring out the beauty of Neruda's poem. I have deliberately refrained from using new vocal techniques in this context.(Wolfgang Motz)

Pablo Neruda: Ode an die Hoffnung

Meerhafte Dämmerung
inmitten meines Lebens,
traubengleiche Wogen,
Himmels Einsamkeit,
mich erfüllend
strömst du über,
das ganze Meer,
der ganze Himmel,
Bewegung
und Weltenraum,
die weißen Bataillone
des Schaums,
die orangenfarbige Erde,
der flammende
Gürtel
der sterbenden Sonne,
so viel
der Gaben und Gaben,
Vögel,
die ihren Träumen zufliegen,
und das Meer, das Meer,
verhaltener
Duft,
tönenden Salzes Chor,
indessen
wir,
die Menschen,
nahe dem Wasser
kämpfen
und hoffen,
am Meeresgestade
hoffen.

Zum Festland sagen die Wogen:
„Alles wird erfüllt werden“.

(from: Pablo Neruda, Elementare Oden, Übersetzung von Erich Arendt, 1955, mit freundlicher Genehmigung von Carmen Ballcels, Barcelona)

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